Thomas Winkelbauer

Fürst und Fürstendiener

Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters

(Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 34)
1999, 656 S.
24 x 17 cm, Gb.
Preis: € 74.80
978-3-486-64837-9 (D), 978-3-7029-0440-1 (A)

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts - der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der katholischen Reform und der gewaltsamen Gegenreformation in Mitteleuropa - formierte sich die Habsburgermonarchie allmählich als europäische Großmacht. Die reichsten und politisch mächtigsten Repräsentanten des dem Kaiserhof eng verbundenen Hochadels waren Konvertiten (Karl von Liechtenstein, Johann Ulrich von Eggenberg, Albrecht von Wallenstein, Wilhelm Slavata, Michael Adolf von Althan und viele andere). Einer dieser sozialen Aufsteiger, die (abgesehen von Eggenberg) fast ausnahmslos alten Hochadelsgeschlechtern der österreichischen und böhmischen Länder angehörten, war auch der 1623 in den Fürstenstand erhobene, in Niederösterreich und Mähren reich begüterte Gundaker von Liechtenstein (1580-1658), der jüngste Bruder des berühmteren Fürsten Karl.

Im Zentrum des Buches von Thomas Winkelbauer steht der Versuch, die Überzeugungen, Maximen und Handlungsweisen dieses in vieler Hinsicht typischen Repräsentanten der neuen, länderübergreifenden "österreichischen Aristokratie" zu rekonstruieren. Im längsten Kapitel werden alle erreichbaren Fremd- und Selbstzeugnisse besprochen, die über äußere Umstände und subjektive Motive der Adelskonversionen in den böhmischen und österreichischen Ländern Auskunft geben. Es geht letztlich um die Suche nach einer Antwort auf die Frage, unter welchen konkreten Umständen sich die einzelnen Herren dazu entschlossen, ein (um das berühmte Wort Heinrich Heines zu variieren) "Entreebillet" in die habsburgische Machtelite zu lösen.

Eines der insgesamt 17 Kapitel bietet einen Vergleich der beiden Ehen Gundakers von Liechtenstein - der "glücklichen" mit Agnes von Ostfriesland und der "gescheiterten" mit Elisabeth Lukretia von Teschen. Dabei zeigen sich sehr deutlich die unterschiedlichen strukturellen Möglichkeiten weiblicher Selbstbehauptung gegenüber männlicher Dominanz in der Frühen Neuzeit. Agnes von Ostfriesland übersiedelte unmittelbar nach der Heirat (1604) aus dem nordwestlichsten Zipfel des Heiligen Römischen Reiches nach Wilfersdorf in Niederösterreich und brach die Beziehungen zu ihren Verwandten und zu ihrer ostfriesischen Heimat ab, ja sie eröffnete im Interesse der Kinder, die sie mit Gundaker von Liechtenstein hatte, sogar einen Prozeß gegen ihren Vater. Sie ordnete sich ihrem Gemahl offenbar in jeder Hinsicht unter. Elisabeth Lukretia von Teschen dürfte sich in den ersten sieben Ehejahren (1618-1625) dem Willen ihres von Anfang an ungeliebten Mannes ebenfalls nicht widersetzt haben. Sie war aber, ebenfalls vom ersten Tag ihrer Ehe an, eine "Erbfürstin". Nach dem überraschenden frühen Tod ihres Bruders packte sie 1625 die Gelegenheit beim Schopf und emanzipierte sich durch den Antritt der Regierung im schlesischen Herzogtum Teschen von ihrem Gemahl, den sie von der (Mit-)Regierung mit (fast) allen Mitteln fernhielt, was diesen aufs äußerste empörte, ja geradezu bis zur Weißglut erzürnte. Sie entzog sich erfolgreich dem grundsätzlichen Gebot des Gehorsams und der Anpassung an die patriarchalische Hausgewalt des Ehemannes.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

   1. KRISE DER ARISTOKRATIE? Zum Strukturwandel des Adels in Böhmen, Mähren und Österreich im 16. und 17. Jahrhundert    2. IN DIE WIEGE GELEGT? Die Vorfahren, Eltern und Brüder Gundakers von Liechtenstein    3. KONFESSION UND KONVERSION. Der Übertritt Gundakers von Liechtenstein zur katholischen Kirche im Kontext der Adelskonversionen in den böhmischen und österreichischen Ländern    4. DIENSTE UND GNADEN. Ämterlaufbahn im Fürsten- und Staatsdienst und für geleistete Dienste empfangene Belohnungen    5. RATSCHLÄGE FÜR KAISER UND ERZHERZÖGE. Die Gutachten und Denkschriften Gundakers von Liechtenstein    6. FREUNDSCHAFT, PATRONAGE UND SOLLIZITIERUNG. Methoden der Durchsetzung eigener Interessen am Kaiserhof und bescheidene Formen aktiver Patronage    7. RANGKONFLIKTE. Verpflichtung gegenüber dem eigenen Haus und den Nachkommen oder persönliche Ehrsucht?    8. SESSION UND VOTUM. Die Bemühungen des Hauses Liechtenstein um Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat bis zum Tod des Fürsten Gundaker    9. DAS FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN IN SÜDMÄHREN. Ein kurzlebiges erbländisches Titularfürstentum   10. HOFSTAAT, HOFHALTUNG UND ZEREMONIELL. Versuche, einen fürstlichen Lebensstil zu pflegen   11. RESIDENZEN. Residenzschlösser und Residenzstädte Gundakers von Liechtenstein   12. VOM STADTHAUS ZUM ADELSPALAIS. Absteigquartiere und Statussymbole   13. BILDENDE KÜNSTE UND REPRÄSENTATION. Künstler und Handwerker im Dienste eines Mannes, der nicht so konnte wie er wollte   14. DILETTI UND DIVERTIMENTI. Zerstreuungen und Vergnügungen eines fürstlichen Aktenbohrers und Selbstregierers   15. EDUCATIO. Die Ansichten Gundakers von Liechtenstein über Adels- und Prinzenerziehung   16. PIETAS. Frömmigkeit und religiöses Weltbild eines katholischen Neufürsten   17. SZENEN ZWEIER EHEN. Die Heiraten Gundakers von Liechtenstein und die daraus abgeleiteten Ansprüche