Neumodellierung frühneuzeitlicher Gesellschaft. Die Jesuiten und die zusammengesetzte Monarchie der Habsburger (16.–18. Jahrhundert)

Projektleiterin: Dr. Zsófia Kádár
Projektstart: September 2021 


 

 

Forschungskontext im Rahmen der Habsburgermonarchie

Das 17. Jahrhundert war eine entscheidende Ära der Habsburgermonarchie, als neue Kohäsionskräfte entstanden, die diesen „zusammengesetzten Staat“ verfestigten. Eine davon war die Gesellschaft Jesu, die durch ihre pastoralen und pädagogischen Aktivitäten die Stadtgesellschaft nachhaltig geprägt hat. Die historische Forschung hat deren große gesellschaftliche Wirkung auf das ganze Habsburgerreich bisher nicht deutlich genug herausgearbeitet, auch weil sich die Forschung auf die Grenzen der Nationalstaaten beschränkt hat. Die zentralisierte institutionelle Struktur der Jesuiten und ihre vielfältigen Interaktionen mit den verschiedenen lokalen Teilgesellschaften begünstigten deren große Wirkung. Für die Jesuiten innerhalb der Habsburgermonarchie war die österreichische Jesuitenprovinz der institutionelle Rahmen, der das gesamte Territorium der Monarchie mit Ausnahme von Böhmen, Mähren und Schlesien abdeckte. Das in Angriff genommene Projekt zielt darauf ab, diesem anachronistischen, nationalhistoriographischen Bruch unseres Wissens entgegenzuwirken, indem die österreichische Jesuitenprovinz als kohärenter Interpretationsrahmen gewählt wird.

 

Hypothesen/Forschungsfragen/Ziele

Mein Ziel ist es, eine Monographie zur Institutionsgeschichte des Ordens und zu den wichtigsten Bereichen des gesellschaftlichen Engagements in der österreichischen Provinz zu verfassen. Im ersten Teil werde ich die Entwicklung des Institutionsnetzwerks der Provinz erläutern, die jesuitische geografische Expansion untersuchen, eine Typologie der Domizile festlegen und wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Einflusses der Jesuiten (Seelsorge, Mission, Kongregationen, Schulwesen) untersuchen. Der zweite Teil der Monographie besteht aus einer Datenbank über die Domizile mit wichtigen Informationen zu jedem Haus. Dies wird auch online zur Verfügung gestellt.

 

Ansatz/Methoden

Die Studie wird bereits publizierte Ergebnisse aus den verschiedenen nationalen Geschichtsschreibungen zusammenfassen und durch eigene Archivrecherchen ergänzen. Für den ersten Teil der Monographie werde ich auf die Methodologie der Verwaltungs-, der Behörden- und der Kommunikationsgeschichte sowie auf die Organisationssoziologie zurückgreifen. Eine öffentlich zugängliche Datenbank soll die Ergebnisse niederschwellig zur Verfügung stellen.

 

Neuheitsgrad/Innovationsgrad

Die Monographie wird die erste umfassende Abhandlung zur österreichischen Jesuitenprovinz sein und bezweckt die alten nationalen Handbücher aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (etwa Bernhard Duhr SJ) zu ersetzen. Die Datenbank soll ForscherInnen aller relevanten Nationalitäten einen einfachen Zugang zu wichtigen Informationen bieten. Das Projekt zielt darauf ab, den Grundstein für die komplexe, internationale Recherche zur Geschichte der österreichischen Jesuitenprovinz wesentlich zu erleichtern.

 

Beteiligte WissenschaftlerInnen

Die Antragstellerin hat an der Eötvös Loránd Universität in Budapest (2017) promoviert und zahlreiche Veröffentlichungen über Jesuiteninstitutionen und Bildung in der Habsburgermonarchie vorgelegt. Ihr Projekt wird vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien als organisatorischem Träger unterstützt (Mitantragsteller Prof. Martin Scheutz). Um dieses Thema gut bearbeiten zu können, ist eine breite internationale Zusammenarbeit mit dem ungarischen Jesuitenarchiv und dem römischen Jesuitenarchiv geplant.

 

Das Forschungsprojekt wird gefördert durch das Lise Meitner-Programm des FWF.

 

Kolorierte Kupferstichkarte von Georg Matthäus Seutter.

Kolorierte Kupferstichkarte von Georg Matthäus Seutter.

 

(Das Bild wurde freundlicherweise vom Archiv der Ungarischen Jesuitenprovinz zur Verfügung gestellt)