Die Edition der Kanzleiregister Papst Honorius’ III
Die Edition der Kanzleiregister Papst Honorius’ III. bildet das Nachfolgeprojekt der eben abgeschlossenen Edition der Register Innocenz’ III. und soll langfristig die für das Profil des Instituts zentrale Säule mediävistischer Editionsprojekte sicherstellen.
Die Bedeutung und Dringlichkeit des Projekts steht in der internationalen Mediävistik außer Zweifel. Aufgrund der globalen Reichweite des hochmittelalterlichen Papsttums, die ganz Europa und den Nahen Osten umspannte, können die päpstlichen Register höchste Aufmerksamkeit in der internationalen Forschung beanspruchen und deren Erschließung durch moderne Editionen besitzt größte Priorität. Für die Edition der Honorius- Register gilt dies fast noch in höherem Maße als für die nunmehr abgeschlossene Innocenz-Registeredition. Während nämlich im Falle der Innocenz-Register vor Inangriffnahme der großangelegten Neuedition wenigstens die veraltete Ausgabe durch Jacques-Paul Migne zur Verfügung stand, liegt für die Honorius-Register bis dato noch überhaupt keine Edition vor. Es gibt lediglich die unzuverlässigen Regesten von Pietro Pressutti (1888/1895) und jüngere regionale Auswahleditionen. Das Fehlen einer vollständigen Edition fällt umso mehr auf, als die Geschichtsforschung sich in jüngerer Zeit vermehrt dem Pontifikat Honorius’ III. zugewandt hat. Die Notwendigkeit und die Möglichkeiten einer Gesamtedition der Honorius-Register waren vor diesem Hintergrund auch schon Thema der Jahrestagung des IÖG 2021, wo aus verschiedener Perspektive Wünsche an ein solches Editionsprojekt formuliert wurden.
Die Edition der 5144 Briefe aus dem Register Honorius’ III. basiert auf den Techniken, die im Laufe der Edition der Innocenz-Register erarbeitet wurden. Abgesehen von der Erstellung des Textes geht es um das Mitführen eines umfangreichen Apparates: neben dem paläographischen Kommentar einen ausführlichen Sachkommentar (der möglichst alle Orte und Personen ausweist und den Benützer*innen einen Einstieg in den Inhalt bietet) und die Aufschlüsselung der Texte nach Quellen aus der Bibel, der Liturgie, antiken Schriftstellern, theologischen Texten, Kanonistik und römischem Recht. Dazu kommt die Suche nach und die Vergleiche mit der Empfängerüberlieferung. Auch die philologische Untersuchung der Texte wird (was bei den Innocenz-Registern nicht der Fall war) eingeplant werden. Ergebnis könnte auch eine stärkere Berücksichtigung von Sprachduktus und Cursus sein.
Das Projekt wird in bewährter Art in Kooperation mit dem Österreichischen Historischen Institut in Rom durchgeführt werden, verstärkt allerdings auf Vernetzung setzen: Das Archivio Apostolico Vaticano hat die Patronanz für die Edition übernommen und gleichzeitig auch selbst durch Marco Maiorino Forschungen zu den Honorius-Registern initiiert. Hier ergeben sich ausgezeichnete Möglichkeiten, etwa den Sachkommentar auf Expert*innen zum jeweiligen Thema aufzuteilen, wobei die Projektkoordination ebenso wie die Entscheidungen über die Gestaltung der lateinischen Texte auch zukünftig an die Wiener Projektleitung gebunden bleiben müssen. Wie bei den Innocenz-Registern wird auch die Edition der Honorius-Briefe weite Möglichkeiten zu vertiefenden Studien bieten: zur Kanzlei, aber auch zum Stil der Briefe, zur Beziehung der Kurie zu einzelnen Empfängergruppen, internationalen Verbindungen und Prozessen und Zugängen zu lokalen Verhältnissen, die v. a. in peripheren Gebieten mit schlechter Quellenüberlieferung nur über die zentrale römische Überlieferung greifbar sind.
In geringerem Umfang liegen in Wien auch schon Vorarbeiten für die Honorius-Registeredition vor, an die unmittelbar angeschlossen werden kann, nämlich eine Transkription des ersten und zweiten Registerjahrgangs. Werner Maleczek wird dem Editionsprojekt außerdem auch die von ihm erstellten Vorarbeiten zum Kommentar des ersten Jahrganges überlassen. Natürlich werden dem Editionsprojekt auch die Material- und Literatursammlungen aus der Arbeit an der Innocenz-Edition am IÖG und dessen spezialisierte Bibliothek zugutekommen.
Als Publikationsformat wird eine Hybridedition angestrebt, also eine Veröffentlichung sowohl im Druck als auch online in Form einer nachnutzbaren Datenressource. Auch in diesem Bereich kann auf vorhandene Vorarbeiten zurückgegriffen werden. Dennoch ist es erforderlich, diese in einer ersten Projektphase zu bewerten, zu adaptieren und zusammen mit anderen Bearbeitungsschritten zu einem nachhaltigen digitalen Arbeitsablauf zusammenzustellen. Zu berücksichtigen sind dabei folgende Komponenten (die im Folgenden angegebenen Zeiträume sind überlappend gedacht und beinhalten jeweils eine Sammel-, Test-, Diskussions- und Entscheidungsphase): (a) Festlegung auf die Art der Verwendung von Texterkennungssoftware (c. ein Jahr); (b) Festlegung auf ein Datenmodell, das, aufbauend auf vorhandene Werkzeuge zur Textstrukturierung bei Papstregistern, die Erfordernisse einer (IÖG-)Hybridedition sowie verschiedener Auswertungsszenarien ebenso abbildet wie den internationalen Forschungsstand zum Thema (c. zwei Jahre, evtl. mit Konsultations-Tagung); (c) Erstellung einer Probe-Edition eines ersten Register-Jahrgangs, die in einem ersten Schritt zumindest online erscheint (voraussichtlich 500 Registereinträge, c. drei Jahre); (d) verbindliche Entscheidungen hinsichtlich des zu verwendenden Repositoriums sowie der für die Online-Publikation erforderlichen Web-Services (umfassenderer strategischer Prozess über mehrere Jahre). Dabei sind die spezifischen Bedingungen des Archivio Apostolico Vaticano zu berücksichtigen.
Einige der oben angesprochenen wissenschaftlichen Fragestellungen zu den Honorius-Registern können auch unter Verwendung digitaler Methoden operationalisiert werden. Das Projekt soll (v. a. im Wege der Datenmodellierung) die entsprechende Anschlussfähigkeit an DH-orientierte Forschung (etwa korpus- und netzwerkanalytische Verfahren) gewährleisten.
Die skizzierte Klärungsphase wird auf fünf Jahre bemessen und liefert mit der Etablierung entsprechender Arbeitsabläufe die Grundlage für eine künftige mittel- und langfristige Planbarkeit des Projekts. Dieses Vorgehen ist nicht zuletzt aufgrund der großen Fluidität, Dynamik und Komplexität des Feldes ratsam. Alle digital ausgerichteten Prozesse der Klärungsphase (und darüber hinaus) werden auch vom Senior Scientist der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät begleitet.
Wesentliche Parameter für einen Gesamtarbeitsplan ergeben sich aus den eben angeführten Überlegungen zur Implementierung der angestrebten Hybridedition. Auszugehen ist von einer fünfjährigen Klärungsphase, die mit einer online verfügbaren Edition des ersten Registerjahrgangs abschließen soll. Nach Ende dieser ersten Phase wird es möglich sein, genaue Bearbeitungszeiten für die Folgejahrgänge zu definieren. Schon in der Klärungsphase sollten allerdings die Möglichkeiten zur Akquirierung von Drittmitteln für das Projekt ausgelotet werden.