Bernhard Zeller

Diplomatische Studien zu den St. Galler Privaturkunden des frühen Mittelalters (ca. 720–980)

(Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
Ergänzungsband 66)

 

2022, 632 S.
 12 Abb., 24 x 17 cm, Gb.
Preis: € 95.00
ISBN 978-3-205-21487-8

Bis zum heutigen Tag werden im Stiftsarchiv St. Gallen weit über 800 Urkunden aus der Zeit vor dem Jahr 1000 aufbewahrt. Es ist ein außergewöhnlicher, nördlich der Alpen sogar einzigartiger Bestand von Originaldokumenten. Die Originalität dieser Urkunden ist vor allem für kultur- und hilfswissenschaftliche Forschungen zentral. Gerade auf dem zentralen Gebiet der Diplomatik kam es aber bislang zu keiner umfassenden Untersuchung des St. Galler Urkundenfonds. Primäres Ziel der Untersuchung ist die systematische diplomatische Grundanalyse des frühmittelalterlichen St. Galler Urkundenmaterials. Dabei werden zunächst grundlegende Aspekte des Urkundenwesens behandelt (Rechtsgeschäfte, Rechtshandlung, beteiligte Personen, Dokumentation usw.). Danach werden die allgemeinen, d. h. alle Urkunden betreffenden, äußeren und inneren Urkundenmerkmale untersucht. Der dritte Abschnitt ist hingegen den spezifischen Urkundenformen und ihren Formeln gewidmet. Auf dieser formal-diplomatischen Grundanalyse beruhen die folgenden Abschnitte, in denen zuerst die Entwicklung des klösterlichen (St. Galler) Urkundenwesens verfolgt und dann den Spuren von nichtklösterlicher-lokaler Schreibtätigkeit nachgegangen wird. Schließlich wird die Frage nach der Verbreitung und Verwendung von Urkundenformularen behandelt. Auf diese Weise werden schrittweise die Koordinaten einer möglichen historischen „Urkundenlandschaft“ Alemannien abgesteckt, die das Thema der zusammenfassenden Schlussbetrachtung ist. Die Untersuchung beruht vornehmlich auf dem hoch entwickelten Methodenkanon der traditionellen historischen Hilfswissenschaften (vor allem der Diplomatik und der Paläographie). Sie versucht diesen Kanon aber gezielt für breitere historische Fragestellungen nutzbar zu machen, nicht zuletzt für Fragen nach dem Stellenwert von Schriftlichkeit und Literalität in frühmittelalterlichen Gesellschaften. Dabei gestattet der ausgedehnte Überlieferungszeitraum der St. Galler Urkunden eine ausgeprägte diachrone Perspektive, in denen Veränderungen und Entwicklungen erkennbar werden. Für die rund 700 „alemannischen“ Privaturkunden des Stiftsarchivs St. Gallen fehlte bislang eine systematische diplomatische Grundanalyse. Eine solche ist aber für jegliche historische Interpretation der Urkunden eine wichtige quellenkritische Voraussetzung. Die hilfswissenschaftliche Analyse der Urkunden erlaubt aber auch neue und einzigartige Einblicke in die Ausprägung von Schriftlichkeit und Literalität im frühmittelalterlichen Alemannien, und zwar nicht nur in großen kirchlichen Institutionen, sondern auch in den „kleinen Welten“ lokaler Gesellschaften.

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